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Nieder mit den großen Themen!

Das Bürgertum ist der größte Feind seiner eigenen Freiheit. Und damit meine ich nicht nur ein klar abgetrenntes linkes und grünes bildungsbürgerliches „Lager“, sondern jeden von uns. Ob wir uns politisch für Freiheit im wirtschaftlichen und privaten Bereich einsetzen, ist nicht unsere freie Entscheidung, sondern hängt entscheidend von unserem persönlichen und medialen Umfeld ab.

Denn die Liebe zum Dirigismus steckt leider tief drin im Bürgertum. Sie entspringt womöglich der historisch eigentlich lobenswerten Idee, von Adel und Klerus nicht mehr von politischer und wirtschaftlicher Macht ausgeschlossen zu werden, sondern alle Vorgänge verstehen und mitbestimmen zu können.

Dieser Wunsch, mitzubestimmen, führt dazu, dass das Bürgertum seit Jahrhunderten zwei völlig widersprüchliche Vorstellungen mit sich herumträgt: Zum einen die Betonung von Freiheit, zum anderen der Glaube an eine starre Ordnung aus allgemeinverbindlichen Regeln für die Massengesellschaft, abgeleitet z. B. von „Vernunft“ oder einer als objektiv, universal verstandenen Moral.

Dabei geht der Riss direkt durch den einzelnen Bürger: Den Wert von Freiheit sieht er überall dort, wo er praktische Erfahrung aus seiner alltäglichen Beschäftigung mit den Dingen hat. Beispielsweise in seinem Berufsleben, dem Umgang mit seiner Familie und dem lokalen Umfeld, seiner Freizeitgestaltung, möglichem kommunalpolitischem Engagement und möglicher ehrenamtlicher Tätigkeit. Das hat viel mit Expertise zu tun: In diesen Dingen erkennt er die Komplexität. Er weiß, dass sie viel Information enthalten, die Außenstehende (wie regulierende Beamte in einer fernen Hauptstadt) niemals kennen werden, und dass ein paar Bit aus Worten (z. B. in Form eines Gesetzes) dieser Komplexität niemals gerecht werden können.

Die allgemeinverbindlichen Regeln fordert er umgekehrt dort, wo er keine praktische Erfahrung, keine Expertise hat, da es nur menschlich ist, Komplexität dort zu unterschätzen, wo wir keine Experten sind. Beispielsweise dachte ich als Abiturient, ich hätte ein gutes Verständnis von Naturwissenschaften (die Natur also „verstanden“), aber jedes weitere Jahr meines naturwissenschaftlichen Studiums zeigte mir mehr Sachen auf, von denen ich vorher noch gar nicht wissen konnte, dass ich sie nicht weiß.

Zwei Beispiele: Sagen wir, jemand arbeitet in der Buchhaltung. Dann berichten die Medien von einem spektakulären Fall von Bilanzfälschung in einem anderen Unternehmen. Die Bundesregierung haut ein Gesetz raus. Unser Buchhalter erkennt dieses Gesetz aufgrund seiner Expertise sofort als Aktionismus, der nichts bewirken wird, sondern nur Steuergeld (durch die Schaffung von Stellen in der Verwaltung zur Umsetzung/Überwachung) und Bürokratie (in den Unternehmen) kosten wird. Liest derselbe Mann dann aber etwas später von einem spektakulären Arbeitsunfall in einem Stahlwerk (etwas, wovon er überhaupt keine Ahnung hat), würde er sich höchstwahrscheinlich Forderungen nach zentral definierten, allgemeinverbindlichen Regeln für „mehr Arbeitssicherheit in Stahlwerken“ anschließen, diese also auch dann nicht als Aktionismus erkennen, wenn es sich um solchen handeln würde. Gleiches gilt für Geschehnisse in der Familie: Bei Problemen in der eigenen Familie kennt man die beteiligten komplexen Charaktere und die Vorgeschichte und wünscht sich kein plumpes Eingreifen des Staates anhand von stupide unterkomplexen, dem Einzelfall nicht angemessenen Regeln, aber wenn man in den Medien von beispielsweise einem dramatischen Einzelfall von Kindesmissbrauch liest, schließt man sich schnell Forderungen nach eben solchen allgemeinen Regeln in Form einer Gesetzesverschärfung an.

Es wird gefährlich für die Freiheit, wenn sich letzterer Aspekt des Bürgertums systematisch gegen ersteren wendet. Denn für jedes einzelne Vorkommnis gibt es weitaus mehr Laien, die nach „einfachen“ und allgemeinen Regeln schreien, als praktisch darin erfahrene und involvierte, die sich sowohl zum Schutz ihrer Freiheit als auch im Bewusstsein der Komplexität des Sachverhalts gegen schwerfällige zentrale Regeln einsetzen. Auch wir selbst, die wir uns im Allgemeinen gern für Freiheit aussprechen, sind anfällig dafür, in solche Massen hineingezogen zu werden, da jeder von uns in viel mehr Dingen Laie als Experte ist.

Das Problem dieser restriktiven Laienmassen ist im 21. Jahrhundert so groß wie nie. In der modernen Medienlandschaft (offline wie online) können zu jedem Thema sehr schnell Laienmassen generiert und instrumentalisiert werden.

Als Kristallisationspunkt dienen dabei Dinge, die ich „große Themen“ nennen möchte: Dinge wie Klimaschutz, Menschenrechte (z. B. im Rahmen der Flüchtlingskrise), „soziale Gerechtigkeit“, „Diskriminierung“ und nun auch noch Corona. Diese Themen werden zu „großen Themen“, indem sie erstens zu einfachen Wahrheiten stilisiert werden (durch wissenschaftliche oder moralistische Experten) und zweitens durch Medienschaffende mit emotionaler Bedeutung aufgeladen werden.

Da durch jedes beliebige Gesetz nur eine Minderheit in ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Freiheit eingeschränkt wird, lässt sich auf diese Weise immer eine lautstarke Mehrheit aus Laien formen, die dieses Gesetz befürwortet. Schon beim nächsten Gesetz kann sich ein Bürger, der beim letzten Thema noch begeistertes Mitglied der freiheitsfeindlichen Laienmasse war, dann plötzlich in dieser Minderheit befinden. So werden nach und nach alle Freiheiten abgefrühstückt.

Es geht mir also nicht darum, den Menschen zu verbieten, von Klimawandel oder Menschenrechten oder Corona zu sprechen. Ich will die Existenz von Klimaveränderungen oder dem Corona-Virus auch nicht „leugnen“, wie es propagandistisch heißt. Es geht mir nur darum, diese Themen zurechtzustutzen: Sie stehen nicht über der Freiheit der Wirtschaft und des Einzelnen! Sie erlauben auch nicht, demokratische Prozesse, Bürgerrechte und den Staatshaushalt zu ignorieren, um „alternativlose“ Maßnahmen ohne Rücksicht auf Verluste durchzudrücken!

Wie aber kann dieses Zurechtstutzen gelingen? Es würde zu kurz greifen dem liberalen Instinkt zu folgen und dafür nur die „üblichen Verdächtigen“, nämlich die grün und links orientierten Bürger, politisch anzugreifen. Denn es fällt auf, dass nur die ersten dieser „großen Themen“ aus dieser Richtung forciert wurden, z. B. der Klimaschutz und die „humanitären Gründe“ der Flüchtlingskrise. Corona dagegen ist kein originär linkes oder grünes Thema, und dennoch greifen die gleichen Mechanismen, die gleiche zentralistische Technokratie, die gleiche mediale Aufladung.

Man könnte sagen, die Linken und Grünen haben den Mechanismus zur Aushebelung der Freiheit erfunden, aber er hat sich längst verselbstständigt und umfasst inzwischen auch z. B. CDU-Funktionäre und regierungsnahe Journalisten.

Das liegt daran, dass er so gut funktioniert: Er erlaubt denjenigen, denen es gelingt, ein neues großes Thema zu generieren, den leichten Zugang zu Macht, Geld und Karrieren in Medien, öffentlichem Dienst und Wissenschaft. Somit entspannt sich ein regelrechter Konkurrenzkampf, der immer schneller solche Themen und aktionistische Regeln und Gesetze erzeugt, den öffentlichen Dienst immer weiter aufbläht etc., kurz: unsere Freiheit und unser Geld immer schneller auffrisst.

Wir müssen der Versuchung widerstehen, ebenfalls große Themen zu generieren. Stattdessen müssen wir sie mit etwas bekämpfen, das ich „kleine Themen“ nennen möchte.

Was sind „kleine Themen“? Nun, der Trick ist, dass sie eben nicht zentral und allgemeinverbindlich definiert werden, auch nicht durch mich. Sondern, dass sie lokal sind.

Ein solches lokales Thema ist das Wohlergehen der Betriebe vor Ort. Da die deutsche Wirtschaft vielgestaltig ist, kann das im Detail ganz unterschiedliche Dinge bedeuten. Beispielsweise kann es für das Wirtschaftswachstum der Betriebe vor Ort nötig sein, die Verkehrsanbindung oder IT-Infrastruktur zu verbessern, den Ort für den Zuzug von Arbeitskräften attraktiv zu machen, Regulierungen abzubauen oder außenpolitisch auf irgendwelche Handelspartner einzuwirken.

Ein anderes lokales Thema ist die eigene Familie, Haus und Garten und das soziale Umfeld. Ein weiteres ist die lokale Kultur: Von etablierten Dingen wie Schützenfest, Karneval und dem Fußballverein bis hin zu lokalen Kunstprojekten oder neuen Entwicklungen wie E-Sports. Auch die Moral und Religionsausübung vor Ort sind lokale Themen.

Bei solchen Themen kennen die Menschen vor Ort sich aus, sie sind keine Laien, daher steht der Zeiger beim oben angesprochenen Dualismus des Bürgertums bei diesen Dingen auf Freiheit, nicht auf Dirigismus.

Diese Themen existieren überall und sind den Menschen immer noch wichtig, aber ihre Bedeutung schwindet aufgrund des Vormarsches der „großen Themen“ leider zusehends.

Es ist also klar, was wir tun müssen: Wir müssen die „kleinen“, lokalen Themen mit Bedeutung aufladen! Unser Ziel muss sein, dass die Menschen in Zukunft wieder sagen dürfen, ihnen sei die eigene Familie, der eigene Wohnort, die lokale Wirtschaft oder das letzte Spiel des Bezirksligavereins wichtiger als so etwas wie „Klimaschutz“ oder „Menschenrechte“. Und das nicht nur ohne sich zu schämen, sondern wie aus der Pistole geschossen, begeistert und bereitwillig!

Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Damit dies gelingen kann, muss in das Promoten der lokalen Themen ähnlich viel Geld und Arbeitszeit gesteckt werden, wie momentan in die „großen Themen“ gesteckt wird.

Da manche Medien (z. B. die öffentlich-rechtlichen), NGOs und Universitäten Milliarden von Euro in Kampagnen und Gehälter von Spezialisten (wie Wissenschaftler und Journalisten) stecken, die die „großen Themen“ promoten, muss umgekehrt auch die Propaganda für die lokalen Themen in der Summe milliardenschwer sein. Es müssen also zahlreiche lokale Zeitungen, Verlage, Radio- und Fernsehsender geschaffen werden, gefördert durch die Wirtschaft und Bürger vor Ort. Die sozialen Medien bieten hierfür in der Theorie eine gute Plattform, wobei die in letzter Zeit zu beobachtenden Zensurbestrebungen auf den großen US-amerikanischen Plattformen Anlass zur Besorgnis geben. Unter Umständen müssen stattdessen viele kleine, dezentrale soziale Medien geschaffen werden
(z. B. durch eine Zerschlagung der großen, monopolistischen Plattformen aus kartellrechtlichen Gründen). Um die Wissenschaftler der „großen Themen“ (wie Gender-Forscher, Ethiker und Klimaforscher) zu kontern, müssen zudem ausreichend viele freiheitlich denkende Wissenschaftler her, entweder an den Unis oder z. B. in Think Tanks untergebracht.

Zuletzt benötigen die kleinen Themen auch mutige Realpolitiker. Es reicht nicht, die lokalen Themen nur mit Bedeutung aufzuladen, die Bürger müssen auch vor Ort mitbestimmen dürfen. Dazu gehört zum einen eine funktionierende Lokalpolitik, zum anderen der Einsatz auf höheren Ebenen gegen die aus den großen Themen folgenden aktionistischen Gesetze und Regulierungen.

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